Tragen unter besonderen Bedingungen fordert die Kreativität.

Es gibt Situationen im Leben, die fordern kreative Lösungen und ermöglichen dann auch das Tragen unter besonderen Bedingungen. Lass uns den Blick auf eine kleine Auswahl werfen, damit du dich orientieren kannst, was für oder gegen das Tragen spricht.

Besondere Bedingungen können sowohl die Trageperson wie auch das Kind betreffen. Es kann sein, dass die erwachsene Person vorübergehend oder dauerhaft körperlich eingeschränkt ist. Zu den besonderen Bedingungen gehört auch der Zustand während der Schwangerschaft und je nach Geburt auch die Anfangszeit mit dem Baby. Auch ist es möglich, dass ein Kind vorübergehend oder dauerhaft besondere Bedürfnisse hat, die es beim Tragen zu berücksichtigen gilt. Zu denken, dass aus dem Tragen nichts wird, wäre aber falsch. Es braucht ein achtsames Auge, eine gute Körperwahrnehmung und eine individuelle Tragevariante – dann ist vieles möglich.

 

Ein achtsamer Umgang mit Körpersignalen ist wichtig

Angefangen beim Kind kann es sein, dass es aufgrund einer turbulenten oder verfrühten Geburt und weiteren gesundheitlichen Faktoren besondere Aufmerksamkeit und Vorsicht beim Tragen braucht. Womöglich braucht das Kind eine Schiene, einen Gips, hat Hautprobleme, einen herabgesetzten oder gesteigerten Muskeltonus, benötigt Sonden oder ein Monitoring etc.

Es macht Sinn, wenn du dich bei Unsicherheiten an ein:e Trageberater:in mit Erfahrung wendest.

Ich empfehle dir an dieser Stelle gerne Sabina Zahn aus Zürich, welche zusätzlich «Kinästhetik Infant Handling Trainerin» ist und eine kompetente Berufskollegin von mir. In Absprache mit dem medizinischen Fachpersonal tauscht ihr euch aus, worauf im Handling mit dem Kind besonders geachtet werden muss. Dank der Trageberatung lässt sich eine massgeschneiderte, praxistaugliche Tragevariante für euch finden. Es ist wichtig, dass sich die Trageperson wohl und sicher beim Tragen fühlt. Das Kind wiederum soll bedürfnisgerecht eingebunden sein und im Notfall rasch wieder aus der Tragevariante gelöst werden können.

Tragen kann auch mit besonderen Bedürfnissen möglich sein.

 

Körpernähe kann kleine Wunder wirken

Durch körperliche Nähe wird das Hormon Oxytocin ausgeschüttet, welches auch als «Kuschelhormon» bekannt ist und sowohl bindungsstärkend als auch milchbildend wirkt. Daher ist es sinnvoll, dass gerade Kinder mit besonderen Bedürfnissen die Möglichkeit haben, möglichst oft Nähe zu tanken.

Ein weiterer Nebeneffekt der Körpernähe wurde bereits im Blog zum Thema Tragen im Sommer erwähnt: Körperkontakt wirkt temperaturregulierend, so dass du auch ein fieberndes Kind unterstützen kannst. Friert es, wird es durch die tragende Person aufgewärmt und beim Fiebern kann es runtergekühlt werden – eindrücklich oder?!

Kann ich in der Schwangerschaft tragen?

 

Tragen während und nach der Schwangerschaft

Vielleicht bist du schwanger und hast möglicherweise bereits ein älteres Kind, welches noch gerne getragen wird.

Wenn du dein Kind bereits vor der Schwangerschaft regelmässig getragen hast, hat sich deine Muskulatur dem Gewicht des Kindes angepasst und du kannst auch während einer komplikationslosen Schwangerschaft weiter tragen, so lange es dir bequem ist. Achte dabei auf den Druck, welcher auf den Bauch erzeugt wird. Die Bauchgurte oder die Tragetuchbahnen sollen nicht zu straff drücken und ziehen – das wird für dich und das ungeborene Kind sonst sehr unangenehm. Variiere und probiere aus, wo sich der Gurt für dich bequem anfühlt, oftmals ist dies unterhalb des Bauches. Ist dein Bauch grösser, kannst du eine Bindeweise oder eine Tragehilfe ohne Bauchgurt wählen, ein sogenannter Onbu (Onbuhimo). Du wirst dein Kind automatisch auf dem Rücken tragen, was letztlich schonender ist, als wenn du es einseitig und frei auf dem Arm trägst. Achte auf die Signale deines Körpers und erklär deinem Kind, wenn dir das Tragen zu viel wird und es Zeit für eine Pause oder den Kinderwagen ist.

Zur Entlastung kannst du übrigens auch nur deinen Bauch einbinden und stützen. Lass dir die Bindeweise für den Babybauch aber bitte nicht von Youtube sondern einer ausgebildeten Trageberaterin zeigen.

Wie kann ich den Bauch binden in der Schwangerschaft?

Nach der Geburt kannst du dir ruhig Zeit mit dem Tragen lassen und erst einmal das Wochenbett in Anspruch nehmen. Sobald du dich fit genug fühlst, kannst du dein Kind Tag für Tag länger tragen. Nach einer Bauchgeburt (Sectio) achtest du auf die Heilung der Narbe und variierst mit dem Bauchgurt, damit in diesem Bereich nicht zu viel Druck und Reibung entsteht. Hier findest du weitere Informationen zur Kaiserschnittgeburt und deren Folgen.

 

Die individuelle Tragehöhe bei Rückenschmerzen

Ein Argument, welches im ersten Moment gegen das Tragen fällt lautet: «Ich kann nicht tragen, ich habe Rückenschmerzen». Je nach dem, was der Ursprung dieser Schmerzen ist, muss man sicherlich achtsam sein. Da Babies in den ersten Jahren unumgänglich oft getragen werden wollen und müssen, lohnt es sich trotzdem einmal hinzuschauen, ob es eine passende Tragemöglichkeit gibt.

Durch regelmässige und steigernde Tragesequenzen, trainierst du deinen Körper und einige berichten, dass Rückenschmerzen während dem Tragen sogar reduziert werden.

Jeder Körper ist anders gebaut, daher musst du für dich die optimale Tragehöhe finden, besonders beim Tragen auf dem Rücken. Trägst du zu hoch, nimmst du eher eine unnatürliche Haltung ein, indem du den Kopf nach vorne strecken musst, damit dich die Kindsnase nicht in deinen Nacken stupst – dies kann Nacken- und Rückenprobleme verstärken. Ist dein Kind wiederum zu tief platziert, drückt es dir zu sehr ins Kreuz und du spürst den Druck in der Hüftregion, im Beckenboden und bei den Lendenwirbeln.

Ein guter Anhaltspunkt ist folgender: Dein Kind sollte mit beiden Augen über deine Schultern spionieren können, das heisst nicht, dass du beim Blick in den Spiegel das ganze Kindsköpfchen sehen musst. Es reicht, wenn du die Hälfte des Gesichtes siehst. Ebenfalls ist es wichtig, dass du den Bauchgurt schön satt an deinem Körper befestigt hast, dein Kind mit dem Po nicht über dem Gurt hängt und du alles schön festgezogen hast. Das Tragen auf dem Rücken ist im Vergleich zum Tragen vor dem Bauch beckenbodenfreundlicher und ermöglicht dir im Schulterbereich eine aufgerichtete Haltung und stärkt deinen Rücken.

Weitere Tipps findest du in unserem Artikel Tragen leicht(er) gemacht. Hier findest du eine Übersicht der Tragevarianten.

 

Tragen unter besonderen Bedingungen fordern kreative Lösungen

Es gibt Menschen, die ihre Kinder gerne tragen wollen aber aufgrund ihrer Einschränkungen nicht barrierefreien Zugang haben. Menschen, die blind sind oder auf den Rollstuhl angewiesen, können ihre Kinder ebenfalls tragen und sind froh um den sicheren Transport. Kindern können auch sitzend oder mit Unterstützung von Hilfsmitteln eingebunden werden. So kann eine Türklinke eine Hand ersetzen, die Tuchbahnen können mit den Zähnen gehalten werden oder man lehnt sich gegen ein Kissen, um das Kind kurz zu stützen. Es gibt viele kreative Lösungswege, wenn es darum geht, den Alltag zu erleichtern und Nähe zwischen Kind und Bindungsperson zu ermöglichen.

Bleib neugierig, kreativ und hol dir Unterstützung, damit es dir und deinem Kind auch beim Tragen unter besonderen Bedingungen gut geht.

 

Dieser Artikel hat Tina von LittleFellow für uns verfasst. Tina ist unter anderem Trageberaterin. Auf ihrem Blog findest du viele spannende Themen rund ums Tragen und die Sexualpädagogik.

Über die Autorin Tina Reigel

Ich bin kreativ, interessiere mich für Menschen, das Zusammenleben, die vielen Entwicklungsbereiche und war lange Zeit leidenschaftliche Tänzerin. Dies führte mich zu meinen bisherigen Berufs- und Ausbildungswegen.
Ich bin Sozial- und Sexualpädagogin und Trageberaterin.

Für rund∞fit schreibe ich die Blogartikel rund ums Tragen von Kindern.
Als zweifache Mutter habe ich selbst Alltagserfahrung mit diversen Tragevarianten und viele fachliche sowie alltagserprobte Tipps für dich bereit.

Auch zum Thema Sexualität wirst du hier bald Artikel von mir finden. Denn diese verändert sich ein ganzes Leben lang und durch die Schwangerschaft und Geburt sowieso.

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