Pilates bei Rückenschmerzen? Vom Hexenschuss über den Bandscheibenvorfall zum verspannten Nacken. Beschwerden im Rückenbereich sind vielzählig und gehören mittlerweile zu den häufigsten Krankheiten in unserer Gesellschaft. Glücklicherweise sind Rückenschmerzen oft nicht bedrohlich und können mit Bewegung und der richtigen Therapie auskuriert werden. Pilates ist eine effektive Methode, um Rückenschmerzen vorzubeugen oder zu mindern.
Bewegungsmangel, sitzende Tätigkeiten, einseitige Belastungen oder eine zu schwache Muskulatur können Ursachen von Rückenbeschwerden sein. In diesem Fall ist “abwarten und Tee trinken” oft nicht der richtige Weg die Schmerzen in den Griff zu bekommen. Unsere Wirbelsäule ist gemacht, um bewegt zu werden und dies in allen Dimensionen. Das Pilatestraining bietet sich hierfür sowohl für prophylaktische als auch für therapeutische Zwecke an. Denn im Pilates wird die Wirbelsäule mehrdimensional bewegt und gekräftigt.
Wir trainieren die tiefliegende und gelenknahe Muskulatur, welche für eine aufgerichtete und stabile Wirbelsäule zuständig ist. All das ist die Basis zu mehr Mobilität, einer verbesserten Haltung und einem beschwerdefreien und starken Rücken.
Die Beckenstellung – entscheidend für den unteren Rücken
Unsere Wirbelsäule ist eine vielgliedrige Gelenkkette, bei welcher einzelne Wirbelkörper durch Bandscheiben und Bänder miteinander verbunden sind. Sie bildet die Achse unseres Skeletts und wirkt dank ihren Kurven wie ein Stossdämpfer. Der oberste Teil, gleich unter dem Hinterkopf, bildet die Halswirbelsäule. Diese ist sehr beweglich und nach vorne gebogen (Lordose).
Danach folgen zwölf Brustwirbel. Die Brustwirbelsäule trägt die Rippen und stabilisiert den Rumpf. Sie ist nach hinten gekrümmt (Kyphose). Die Lendenwirbelsäule ist wie die Halswirbelsäule wieder nach vorne gebogen und erstreckt sich bis zum Kreuzbein. Die Lendenwirbelsäule wird im Pilates oft mit dem Becken und dessen Position in Verbindung gebracht, da die Ausrichtung des Beckens einen direkten Einfluss auf die Ausrichtung des unteren Rückens hat.
Egal ob stehend, im Vierfüsslerstand oder auf dem Rücken liegend, viele Pilates-Übungen erfordern eine neutrale und stabile Lenden-Beckenstellung. In dieser Stellung bleiben die natürlichen Kurvenverläufe der Wirbelsäule erhalten, die Kräfte verteilen sich optimal, sodass die Wirbelsäule minimal belastet wird. Auf dem Rücken liegend ist diese neutrale Position am einfachsten zu kontrollieren, da wir durch den Bodenkontakt eine Referenz haben: Sind in der Rückenlage das Schambein und die beiden Beckenkämme auf derselben Ebene parallel zum Boden, liegt das Becken in der Regel neutral auf.
In dieser Position bildet der untere Rücken durch die Lordose eine kleine Wölbung ins Körperinnere (siehe Foto). Das heisst, die Lendenwirbel liegen nicht auf dem Boden auf, es bildet sich ein kleiner Tunnel. Erst wenn das Becken nach hinten kippt, wird die Lendenwirbelsäule abgeflacht und die Wirbelkörper berühren den Boden. Ist das Becken zu weit nach vorne gekippt, entsteht eine Hohlkreuz-Haltung (Hyperlordose).
Kräftige Muskulatur – nicht nur im Rücken
Neben der neutralen Lenden-Beckenstellung ist auch die Aktivierung unseres Zentrums ein viel zitiertes Schlagwort im Pilatestraining. Die Zentrumsmuskulatur wird von der tiefliegenden Bauchmuskulatur (Transversus abdominis), dem Zwerchfell, dem Beckenboden und den Multifidi gebildet. Letztere sind kurze, viel gefiederte Rückenmuskeln, die nahe an den Wirbelgelenken liegen und somit für Stabilisation der Wirbelsäule sorgen. Weiter ist diese Muskulatur für die Rückenstreckung, die Seitneigung und die Rotation zuständig.
Die gesamte Zentrumsmuskulatur hat nun die Aufgabe, mit Hilfe der Atmung die Lenden-/Beckenposition zu stabilisieren. Kommt zusätzliche Belastung hinzu – beispielsweise, wenn in der Rückenlage die Füsse vom Boden abgehoben werden – braucht es zusätzliche Muskeln aus dem Rumpf, die die Stabilität in der Lenden- und Beckenregion aufrechterhalten.
Ein starker Rücken kommt nicht von allein. Es braucht auf der Gegenseite ebenso kräftige Bauchmuskeln, um das Gesamtsystem in Balance zu halten. Und genau diese Muskulatur kommt im Pilatestraining selten zu kurz.
Pilates in der Schwangerschaft und in der Rückbildung
Die Zentrumsmuskulatur ist nach einer Schwangerschaft häufig geschwächt und kann mit einem Rückbildungstraining wieder aufgebaut werden. Sieh dir dazu gern unser Video auf Youtube zum Nachtrainieren an:
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Dehnen und mobilisieren – genauso wichtig wie kräftigen
Häufig treten die Beschwerden im unteren Rücken auf. Darum sind Übungen, bei welchen der untere Rücken rund gemacht wird, oftmals eine Wohltat. Die Lendenwirbelsäule segmental bewegen zu können – also einen Wirbelkörper nach dem anderen – ist jedoch eine grosse Herausforderung und braucht entsprechend Konzentration und Übung.
Klassische Übungen, wie PELVIC CURL in der Rückenlage (mit angewinkelten Beinen Becken nach hinten kippen und Wirbel für Wirbel hoch in die Schulterbrücke rollen und wieder zurück, siehe Foto) und Roll down aus dem aufrechten Stand (siehe Foto) schulen die segmentale Wirbelsäulenbewegung und lösen bzw. kräftigen dabei die Rückenmuskulatur.
Das Lösen und Dehnen der Muskeln gehört genauso ins Pilatestraining, wie die Kräftigung und somit die Kontraktion der Muskulatur. Die Atmung kann dabei unterstützend wirken: Beim Einatmen wird Raum und Länge im Körper geschaffen und an verspannten Stellen für Dehnung und Öffnung gesorgt. Beim Ausatmen wird die Zentrumsmuskulatur aktiviert. Um muskulären Dysbalancen entgegenzuwirken, wird im Pilates ganzheitlich trainiert und den Fokus gleichermassen auf Dehnung, Mobilisation und Kräftigung gesetzt.
Aufrichtung bringt viele Vorteile
In die Länge bringen wir jedoch nicht nur unsere Muskelstränge, sondern auch die gesamte Wirbelsäule. «Denk dir deine Wirbelsäule in die Länge.» «Stell dir vor, an deinem Scheitel ist ein Faden fixiert, welcher dich zur Decke zieht.» «Verlängere deinen Kronenpunkt.»
Solche oder ähnliche Aussagen hört man oft in einer Pilatesstunde, mit dem Ziel, die Kräfte gleichmässig auf die Wirbelsäule zu verteilen und sie minimal zu belasten. Machen wir unsere Wirbelsäule lang, sind die Voraussetzungen gegeben, segmental – also Wirbel für Wirbel – zu arbeiten sowie eine optimale Haltung einzunehmen. Diese axiale Verlängerung entlastet zudem die Bandscheiben, erlaubt Bewegungsfreiheit in unseren Gelenken und verbessert die Atmung. Eine aufgerichtete und stolze Haltung gibt uns ein gutes Gefühl und Selbstvertrauen.
Um mit Pilates die gewünschten Effekte und Beschwerdefreiheit zu erreichen, ist regelmässiges Training erforderlich. Es braucht etwas Zeit, bis die oft einfach wirkenden Übungen richtig verstanden werden und die Körperwahrnehmung genügend geschult ist, um die einzelnen Bewegungen im Detail korrekt auszuführen.
Aber diese Investition lohnt sich auf alle Fälle. Denn ich bin sicher, dass sich nicht nur dein Rücken besser anfühlen wird, sondern dein gesamtes Wohlbefinden dank regelmässigem Pilates gesteigert wird.
Die folgende Übungssequenz im Videobeitrag stärkt deine Rückenmuskulatur und führt zu mehr Beweglichkeit deiner Wirbelsäule. Viel Spass beim Mitmachen!
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Dieser Artikel ist von Nora Linder, der Pilatesexpertin bei rund∞fit. Nora ist Sportwissenschaftlerin, Schwimmexpertin und Pilatesinstruktorin. Hier erfährst du mehr über Nora. Nora unterrichtet in Worb unter anderem Rückbildungspilates: Ihr gesamtes Angebot findest du hier.
Quellen:
Grafik Wirbelsäule: https://www.neurochirurgie-offenbach.de/behandlungsspektrum/ueber-die-wirbelsaeule/
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