Hast du Schmerzen bzw. Beckenbodenschmerzen beim Geschlechtsverkehr? Fast jede fünfte Frau ist davon betroffen und die meisten davon reden nicht darüber – das tabuisierte Thema bleibt dadurch oft unbehandelt. Wenn du davon betroffen bist, sprich darüber, denn mit dem Thema bist du nicht alleine. Manche Frauen spüren gleich am Eingang der Vagina Schmerzen, manche können gar nichts in die Vagina aufnehmen, andere empfinden Schmerzen in der Tiefe. Dagegen kannst du etwas machen und musst nicht damit leben, wenn du dir helfen lässt. In diesem Beitrag zeigt dir die Expertin und
Gerade hier ist interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Gynäkologen, Sexologen, Beckenbodenphysiotherapeuten, in manchen Fällen auch Dermatologen und Urologen, wichtig.
Mögliche Ursachen für Beckenbodenschmerzen können sein:
- Organsenkungen
- Endometriose
- Misshandlung
- Hypertoner Beckenboden (hohe Muskelspannung, durch zu viel „Sport“ und wenig Ausgleich)
- Operationen und traumatische Geburt
- Narben (im Becken/Bauchraum sowie vaginal/anal)
- Bestrahlung
- Vaginale Trockenheit
- Atrophie, Entzündungen und Hauterkrankungen
- Vaginismus (reflektorische Verkrampfung des Beckenbodens)
- Vulvodynie/Vestibulodynie
- Lichen sclerosus (gutartige Autoimmunerkrankung der Haut)
Ein hypertoner Beckenboden kann durch all die oben genannten Ursachen entstehen. Häufig leiden sehr starke, junge Mädchen durch übermässigen Training, daran. Es fehlt der Ausgleich für die Muskulatur im Training und die Wahrnehmung. Das Thema Beckenboden sollte von Jung an ins Training mit eingebunden werden. Denn, Urinverlust kommt auch in jungen Jahren vor und in so einem Fall eher durch einen verspannten Beckenboden.
Vaginismus, ist eine reflektorische Verkrampfung des Beckenbodens, beim Versuch etwas einzuführen – auch wenn die Frau die Penetration ausdrücklich wünscht. Oft beginnt das schon früh und wird meist bewusst, wenn junge Mädchen das erste Mal ein Tampon einführen möchten und dabei Schmerzen empfinden oder es nicht möglich ist. Das ist oft eines der ersten Anzeichen. Wenn dir jemand davon erzählt, dann sei hellhörig.
Wir Mamas dürfen unsere Töchter ein positives Körperbild mitgeben und ihr Geschlecht beim Namen nennen. Eine Verniedlichung führt zu einem falschen Bild, so dass die Vagina als klein und süss wahrgenommen wird. Doch sie ist dafür da, aufzunehmen und kann ein Kind gebären.
Vulvodynie ist eines der Krankheitsbilder, das kaum erforscht ist. Die Symptome ähneln einer Pilzinfektion, ist es aber nicht und die Patientinnen fühlen sich alleine mit dem „Problem“. Es brennt, es juckt, immer wieder einschiessende stechende Schmerzen. Sogar eine sanfte Berührung kann wehtun.
Lichen sclerosus, ist eine gutartige Autoimmunerkrankung der Haut. Die Patientinnen werden häufig jahrelang mit Antipilz-Mitteln behandelt, bis ein*e Arzt*in oder Therapeut*in erkennt, dass es sich um Lichen sclerosus handelt. Die Frauen empfinden ein Engegefühl, Juckreiz und ein Brennen. Die tägliche Vulvovaginale-Pflege ist hier das Allerwichtigste. Das sollte mit der*m Arzt*in besprochen werden.
Tipps bei Beschwerden am Beckenboden
Was kannst du machen, wenn du betroffen bist? Es kommt natürlich darauf an, was die Ursache ist und das muss dann individuell angeschaut werden. Doch ein paar generelle Tipps habe ich hier aufgelistet:
- Darüber sprechen
- Druck rausnehmen
- Sanfter Einstieg, ein langes Vorspiel mit Intimmassagen
- Atmung
- Tägliche Vulvinapflege
- Selbstmassage
- Entspannungs- und Dehnungsübungen
- Beckenbodenphysiotherapie (www.pelvisuisse.ch, www.ag-ggup.de)
Meine Tipps bei Beckenbodenschmerzen im Detail erklärt
1. Sprich mit deinem*r Partner*in darüber – dass nimmt den Druck heraus und es ergeben sich neue Möglichkeiten. Ein langes Vorspiel, zum Beispiel, fördert die Durchblutung und macht das Gewebe und die Muskulatur weicher und weiter.
2. Sexualität betrifft den ganzen Körper und ist auch ganz ohne Penetration wunderschön – es ist eine Chance etwas Neues zu kreieren.
3. Übernimm du die Führung und setze Grenzen. Sexualität soll schön sein und nur, wenn du wirklich willst, darf sie stattfinden.
4. Leite deine Atmung bewusst zu deinem Becken, vor allem zu deiner Vagina. Das solltest du immer wieder im Alltag machen, so lösen sich Verspannungen und dein Beckenboden bewegt sich von ganz alleine durch die Atmung. Auch die progressive Muskelentspannung nach Jacobsen ist für den ganzen Körper eine schöne Möglichkeit.
5. Auch die Intimpflege ist besonders wichtig. Nimm Kontakt zu deiner Vulva und Vagina auf, so wie du dein Gesicht pflegst, pflege auch deine Vulvina. Das kannst du mit einem Bio-Kokosöl, Bio-Sesamöl, Bio-Mandelöl …
6. Es geht darum andere Sinnesempfindungen auszulösen. Vielleicht fühlt sich das am Anfang leicht schmerzhaft an – mache es ganz sanft, dann werden die Empfindungen neutral, dann zunehmend angenehm.
7. Wenn du Narben im Becken-, Bauch-, oder im vulvovaginalen Bereich hast, massiere sie und wenn du die Narben selber nicht gerne berührst, kannst du zu einer*m ausgebildeten Therapeut*in gehen. Lies dazu gern auch folgende Blog-Beiträge: Narben im Sport nach dem Kaiserschnitt oder Narbenpflege nach dem Kaiserschnitt
8. Um den Beckenboden zu dehnen, kannst du dich auf eine Handtuchrolle setzen. Rolle das Handtuch nur so hoch, dass du eine leichte Dehnung spürst – kein Schmerz. Die tiefe Hocke kannst du auch im Alltag immer wieder gut einbauen. Die Beckenschaukel sorgt für Beweglichkeit, Durchblutung, Entspannung sowie mehr Libido.
9. Eine Entlastung für den Beckenboden, gerade bei Organsenkungen: komm auf die Knie in den Unterarmstütz, dein Becken bleibt oben. So rutschen die Organe Richtung Kopf und der Beckenboden hat eine Pause.
Trau dich mit deiner*m Gynäkologe*in darüber zu sprechen, denn Schmerzen beim Geschlechtsverkehr sind nicht normal und es reicht nicht zu denken: “ich versuche mich zu entspannen”. Es braucht Expert*innen, die sich damit auskennen, um dir zu helfen.
Denn häufig kommt es weiterlaufend auch zu Verstopfungen oder Schmerzen beim Stuhlen, wenn der Beckenboden sich immer weiter verspannt.
Die Beckenbodenphysiotherapie
Um Beckenboden- oder Beckenschmerzen zu behandeln, empfiehlt sich eine ausführliche Beratung bei der Beckenbodenphysiotherapie. Mit deinem Einverständnis findet danach eine vaginale Untersuchung statt.
Die Physiotherapeutin tastet sanft deinen Beckenboden, sowie die tieferen, inneren Beckenmuskeln ab, um nach Verspannungen und/oder Narben zu suchen. Auch die Funktionalität deines Beckenbodens wird untersucht. Kannst du den Beckenboden ansteuern, ihn vor allem wieder loslassen, wie ist die Qualität etc.?
Auch die Beckengelenke, der Kiefer sowie der Rücken, deine Haltung, der gesamte Körper sollte miteinbezogen werden. Denn auch Verspannungen oder Fehlstellungen im Kiefer können sich auf den Beckenboden auswirken. Sowie ein Rundrücken, da hier eine Reflexzone vom Beckenboden ist, sowie zwischen den Augenbrauen. Bei einer Absenkung der Organe, kann ein*e ausgebildete*r Therapeut*in Pessare empfehlen oder sogar anpassen.
Es gibt die Möglichkeit mit einem Elektrostimmulationsgerät und einem Biofeedback zu arbeiten. Ein*e Therapeut*in instruiert dich, wie du dich selber massieren kannst eventuell mit dem Finger, Dilatoren, Massage- oder Glasstab, individuelle Tipps zur Intimpflege geben, mit Biofeedback oder Tens-Geräten zur Unterstützung arbeiten, individuelle Dehnungs- und Entspannungsübungen mitgeben.
Diesen Artikel hat Adriana Diliso für uns geschrieben. Sie ist Physiotherapeutin und bietet in ihrer Praxis ein breites Spektrum an Therapien an, z.B. auch Beckenbodenrehabilitation für Frauen und Männer. Besuche ihre Website und erfahre mehr über ihr Angebot in Kreuzlingen und besuche sie ausserdem im Instagram.
Quellen:
Wejmar Schultz W, BassonR, Binik Y, Eschenbach D, Wesselmann U, Van Lankveld J (2005). Women`s Sexual Pain and ist management.
Kopfschmerzen im Becken: Ein neues Verständnis und Behandlungsverfahren für die chronischem Beckenschmerz-Syndrome. David Wise, Rodney Anderson (2016)
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Vielleicht einen Urologen besuchen, oder? Ich werde definitiv die Übungen ausprobieren, falls es nicht klappt, werde einen Urologen suchen. Danke!
Liebe Lena
Ja genau, wie Adriana schreibt, kann in manchen Fällen auch die Zussammenarbeit von verschiedenen Therapeuten helfen, wie z.B. dem Urologen.
Konnten dir die Übungen weiterhelfen?
Liebe Grüsse, Fabienne vom Team rund8fit