Beckenboden-Ultraschall: Den Beckenboden sichtbar machen…

rund8fit. Den Beckenboden im Ultraschall sichtbar machen.

Interessant wird es, wenn wir den Beckenboden sichtbar machen. „Spanne ich meinen Beckenboden richtig an?“ Das ist eine häufige Frage, die Frauen zu mir führt. Da der Beckenboden nicht von aussen sichtbar ist, ist es schwer zu wissen, ob man das Richtige tut. Dies führt zu Fragezeichen in vielen Köpfen und Unsicherheiten. Das dies berechtigt ist, zeigt eine Studie von Thompson et al (2005), in der 23% der Frauen nach Aufforderung den Beckenboden anzuheben, nach unten drückten. Der Ultraschall macht dies sichtbar und gibt so Selbstsicherheit, Verständnis und Erleichterung bzw. hilft eine gewünschte (hebende) Beckenbodenanspannung schneller zu erlernen.

 

Man spricht in dem Zusammenhang von visuellem Biofeedback: „Du siehst, was du tust.“

Dies wird nicht nur von den Frauen als hilfreich empfunden, auch in der ärztlichen Leitlinie zur Diagnostik und Behandlung der Organsenkung, wird der Ultraschall als Biofeedback zum Erlernen einer „richtigen“ Beckenbodenanspannung empfohlen (AWMF 2016). Im Vergleich zu anderen Methoden der Kraftmessung des Beckenbodens (z.B. mittels Tastuntersuchung) gilt die Ultraschalluntersuchung ebenfalls als genaue Methode (Dietz et al 2002, Thompson et al 2006).

 

rund8fit. Den Beckenboden im Ultraschall sichtbar machen.

 

Der Ultraschall

Der Ultraschall, der genutzt wird, ist derselbe, wie du ihn vom Arzt kennst. Der Schallkopf sendet Schallwellen aus, die unterschiedlich stark vom Gewebe reflektiert werden. So entsteht das charakteristische schwarz-weisse Ultraschallbild, was du auf dem Bildschirm erkennen kannst. Geschallt werden kann vom Bauch oder vom Damm aus. Dabei wird der Schallkopf nicht eingeführt, sondern von aussen an den Damm angelegt. Du siehst dann die Organe Blase inklusive Harnröhre, Gebärmutter, Enddarm und den Beckenboden.

 

Interessant ist die Funktion des Beckenbodens

Anders als beim Arzt interessiert uns als Physiotherapeut*innen aber nicht die Diagnostik, sondern die Funktion:

„Spannt der Beckenboden hebend an?“

„Wird Druck beim Beckenbodenanspannen erzeugt?“

„Was passiert bei Druck durch Husten oder Pressen? Reagiert der Beckenboden? Bleiben die Organe stabil?“

„Wie wirkt sich die Haltung auf die Funktion des Beckenbodens aus?“

„Was passiert durch den Schwerkrafteinfluss? Ist die Beckenbodenanspannung immer noch hebend? Bleiben die Organe an Ort und Stelle?“

„Was passiert in der Funktion, beim Sport z.B. wie Sit-up, im Einbeinstand, Kniebeugen, Hüpfen? Entsteht Druck nach unten? Reagiert der Beckenboden?“

„Wie habe ich mich durch Training verbessert?“

„Kann ich meine Blase vollständig entleeren?“

 

Der Ultraschall kann also nicht nur zum Erlernen des richtigen Anspannens, sondern noch für viele Dinge mehr verwendet werden. So macht es ihn zu einem guten Tool im Beurteilen von Beschwerden, die während des Bewegens auftreten (z.B. bei einer bestimmten Übung). In dem Zusammenhang ist wichtig zu wissen, dass der Beckenboden gemeinsam mit den anderen Muskeln der Bauchkapsel (dem tiefen Bauchmuskel, den tiefen Rückenmuskeln und dem Zwerchfell) arbeitet, um den Rumpf bei Belastung zu stabilisieren. Dafür muss alles untereinander gut koordiniert werden, damit es nicht zu Beschwerden wie Inkontinenz und Senkungen, aber auch Rückenschmerzen oder Rektusdiastase (Auseinanderweichen der geraden Bauchmuskeln und Instabilität der Bauchwand) kommt.

 

Dazu kann die Koordination zwischen Bauchanspannung und Beckenbodenanspannung im Ultraschall beobachtet und so ggf. wieder erlernt werden. Neben dem Beckenboden wird hierfür der tiefe Bauchmuskel (Transversus) über einen Schall seitlich am Bauch mit angeschaut. Der tiefe Bauchmuskel spielt eine grosse Rolle bei der Rumpfstabilisation und Stabilisation des Iliosakralgelenks (ISG, Gelenke zwischen Wirbelsäule und Becken). Dafür muss er, wie der Beckenboden auch, immer etwas vor der Belastung angespannt werden (passiert optimalerweise automatisch), um Drücke, die durch die Belastung im Bauch entstehen, abfangen zu können.

Man kann sich vorstellen, dass es wie ein Gelenkschutz für die Wirbelsäule wirkt. Dieser Mechanismus kann nach einer Schwangerschaft, bei chronischen Rückenschmerzen oder ständiger krummer Körperhaltung abgeschwächt und der Auslöser für Beschwerden sein (Richardson et al 2009).

 

rund8fit. Den Beckenboden im Ultraschall sichtbar machen.

 

Fragestellungen für den Ultraschall der Bauchmuskulatur (und des Zwerchfells) könnten sein:

„Kann der tiefe Bauchmuskel angespannt werden (ohne das alle anderen Bauchmuskeln mitanspannen)?“

„Reagiert der tiefe Bauchmuskel beim Sprechen?“

„Wie arbeitet er bei Belastung (Husten, Sit-up etc.)?“

„Arbeitet er mit dem Beckenboden zusammen?“

„Spannt er nicht nur die Linea alba (Sehne zwischen den geraden Bauchmuskeln), sondern auch die Rückenfaszie?“

„Bewegt sich das Zwerchfell während der Atmung mit?“

 

Ich bin immer wieder fasziniert, was man mit dem Ultraschall alles sichtbar machen kann und freue mich über die AHA-Momente der Frauen. Dennoch ist auch eine gute Innenansicht, ein gutes Gefühl für die Aktivierung des Beckenbodens (und der Bauchmuskulatur) wichtig, um zu Hause auch ohne Ultraschall gut weiter üben zu können. Der Ultraschall kann helfen, ein sicheres Gefühl zu bekommen, sollte aber auch ohne Sichtkontrolle der Frau durchgeführt werden, um zu sehen, dass sie die Innenansicht auch gut umsetzen kann.

 

Gerne zeige ich dir hier im Video, wie es in der Praxis aussehen kann:

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Mehr Informationen

 

Das Tabuthema brechen!

Ich bin gespannt, was wir in ein paar Jahren noch alles herausfinden können und freue mich, dass die Frauengesundheit endlich im Fokus steht und aus dem Tabu herausgeholt wird! Auch immer mehr Physiotherapeut*innen spezialisieren sich und schaffen sich ein Ultraschallgerät an. Leider ist dies nicht sehr preiswert und die Untersuchung muss damit in den meisten Fällen privat bezahlt werden. Expert*innen in deiner Nähe findest du hier:

Für die Schweiz: https://www.pelvisuisse.ch/therapeutinnen-suche/

Für Deutschland: https://www.ag-ggup.de/therapeutenliste/therapeutenliste-beckenboden/

Für Österreich: http://www.kontinenzgesellschaft.at/bsz_physio.htm

 

Mein Tipp: Frage nach Ultraschalluntersuchungen oder auch Ultraschall-Check-up.
Oder schaue gerne auch in meinen Highlights „Physiotherapie“ auf Instagram.

 

Diesen Artikel hat Anja Sippel für uns geschrieben. Sie ist Beckenbodenphysiotherapeutin und Rektusdiastasetrainerin. Lies hier mehr über ihre Person und ihr Angebot und besuche sie im Instagram.

rund8fit. Organsenkung

 

Quellen:

AWMF (2006). https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/015-006l_S2e_Descensus_genitalis-Diagnostik-Therapie_2016-11-abgelaufen.pdf

Dietz HP, Jarvis SK, Vancaillie TG (2002) The assessment of levator muscle strength: a validation of three ultrasound techniques. Int Urogynecol J Pelvic Floor Dysfunct 13 (3):156–159; Discussion 159

Richardson, C., Hodges, P., Hides, J. (2009). Segmentale Stabilisation im LWS- und Beckenbereich: Therapeutische Übungen zur Behandlung von Low Back Pain. Elsevier Verlag.

Thompson JA, O`Sullivan, Briffa K, Neumann P, Court S.  (2005). Assessment of PF movement using transabdominal  and transperineal US. Int Urogynecol J Pelvic Floor  Dysfunct. 2005; 16(4): 285-292

Fotos: Anja Sippel, Dorfmutti

 

Über die Autorin Anja Sippel

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  1. Ich kenne die Ultraschalluntersuchung nur von der Untersuchung bei einer Schwangerschaft. Interessant, dass man bei einer Sonographie auch andere Gewebe sichtbar machen kann, weil das unterschiedlich reflektiert wird. Ich finde auch, dass man darüber viel offener sprechen sollte, weil es einfach jeden betrifft!

    1. Liebe Mira
      Genau, wir sehen das auch so: es gibt in diesem Bereich zu viele Tabus und wir möchten ganz offen und ehrlich über diese und weitere Themen im Bereich Frauengesundheit informieren.
      Vielen Dank für dein Feedback.
      Liebe Grüsse, Fabienne vom Team rund8fit

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