Sex während der Schwangerschaft

rund8fit, Sexualität in der Schwangerschaft

Eines ist klar: Die Schwangerschaft hat vielfältige Auswirkungen auf den Körper und auf die Psyche. Die inneren und äusseren Veränderungen lösen sogenannte Adaptionsprozesse aus – wir werden vor die Aufgabe gestellt, die vielen kleinen Umstellungen in unser bisheriges Sein zu integrieren. Es ist also naheliegend, dass Schwangerschaft und bevorstehende Elternschaft auch Auswirkungen auf die Partnerschaft und Sexualität haben – auch dort wird es sehr wahrscheinlich Anpassungen geben.

 

Die individuelle Sexualität vor der Schwangerschaft

Die Sexualität ist das ganze Leben über ein Thema. Sie verändert sich bis zum Tod und nimmt je nach Lebensphase, Gesundheitszustand und Umweltfaktoren einen anderen Stellenwert ein für das Individuum. Jeder Mensch hat seine ganz persönliche Sexualgeschichte, das heisst du hast in der Vergangenheit andere und eigene Körper-, Bedürfnis-, Geschlechts- und Beziehungserfahrungen gesammelt als dein*e Partner*in. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass das Verlangen nach Sex, die Art und Weise, wie begehrenswert du dich selbst fühlst, wie du deinen Körper bewohnst und wie du deiner Lust folgen kannst, bereits vor der Schwangerschaft nicht deckungsgleich war mit deinem Gegenüber und das ist ok und hat mit euren Prägungen und Lernerfahrungen zu tun. Ihr lebt eine gemeinsame und individuelle Sexualität.

 

Dein Körper verändert sich – und das stärkt dich

Das klang jetzt alles ein bisschen kompliziert? Lass mich ein Beispiel machen:

Stellen wir uns vor, du hast gelernt, dass du liebenswert bist. Du magst deinen Körper inklusive deiner Genitalien und liebst es, dich selbst zu berühren und zu befriedigen.

Kommen nun die schwangerschaftsbedingten Veränderungen dazu, hast du daher vielleicht einen sicheren Halt in dir und kannst deinen wandelnden Körper weiterhin liebevoll annehmen, dir sinnlich begegnen und magst auch die partnerschaftliche Körperlichkeit. Es kann sein, dass du deinen Körper in der Schwangerschaft ungewohnt sexy und weiblich findest und dir das neue Körpergefühl, sowie die gesteigerte Durchblutung deines Beckenraums und deiner Vulva sexuelle Selbstsicherheit geben.

Wenn du deine körperlichen Veränderungen annehmen kannst und du dich wohl fühlst, empfehlen wir dir, auch in dieser Lebensphase, weiterhin Sport zu treiben.

Wir haben einen kostenlosen Guide für sicheres Training in der Schwangerschaft entwickelt und zeigen dir, welche Übungen du generell in der Schwangerschaft noch machen darfst und worauf du beim Training achten solltest.

 

.. es kann aber auch verunsichern

Ebenso ist es möglich, dass dich die inneren und äusseren Veränderungen verunsichern, du es als unangenehm empfindest, nicht mehr in deine gewohnten Outfits zu passen und du nicht sicher bist, ob dich dein Gegenüber mit dem grösseren Bauch, der wachsenden Brust, den neuen Kurven weiterhin attraktiv findet. Die Hormonveränderungen können zusätzlich Stimmungsschwankungen auslösen.

Die Lust auf Solo- oder partnerschaftlichen Sex kann bei einigen gesteigert, bei anderen reduziert werden – die Palette ist bunt. Warum das so ist? Wie ihr vielleicht bereits feststellt, hängt dies mit ganz unterschiedlichen Faktoren zusammen, die wie gesagt bereits vor der Schwangerschaft präsent waren und sich im veränderten Lebensumstand manchmal noch deutlicher zeigen können. 

rund8fit, Sexualität in der Schwangerschaft kann verunsichern aber auch stärken.

 

Was, wenn der Kopf nicht abschalten kann

Weitere Gründe, die Einfluss auf die partnerschaftliche Sexualität während der Schwangerschaft nehmen können, sind Komplikationen, Sorge um das ungeborene Kind, frühere belastende oder schmerzhafte Erfahrungen rund um Koitus (Geschlechtsverkehr) und Schwangerschaft, so wie die Unsicherheit, ob durch die Aufnahme eines Penis und einen allfälligen Orgasmus frühzeitige Wehen ausgelöst werden können. Auch Männer können zurückhaltend sein, weil sie Widerstände verspüren bei dem Gedanken, mit dem Penis allenfalls in die Nähe des Kindes zu kommen oder zu viel Druck auszuüben– ja, das ist manchmal wirklich eine Sorge, fragt mal nach.

Ihr seht also – bevor wir über das WIE sprechen können, gibt es bereits vorher einige Dinge, die einen Austausch wert sind und Aufschluss darüber geben, WESHALB manche Menschen gerne ihre Sexualität während einer Schwangerschaft leben oder eben eher darauf verzichten bzw. zurückhaltend sind.

 

Sicherheit dank Offenheit

Good News zwischendurch:

Ganz viele Unsicherheiten können und sollen durch Aufklärung gelöst werden. Das heisst nicht, dass ihr Dinge klären sollt, weil ihr Sex haben müsst. Aber ihr dürft, wenn ihr wollt und da gibt es nach wie vor viele Unsicherheiten und Mythen – dazu sage ich später mehr. Ich will euch dazu ermutigen, aus der allfälligen (unnötigen) Scham herauszuspringen und Gynäkolog*innen, sowie Hebammen auf das Thema Sex während der Schwangerschaft anzusprechen. Die können euch sagen, was im aktuellen Trimester gerade vor sich geht, wie sich beispielsweise euer Muttermund verhält und wie es dem Kind geht – das kann Sicherheit geben.

rund8fit, Sexualität in der Schwangerschaft kann verunsichern aber auch stärken.

 

Die Mythen rund um die Sexualität in der Schwangerschaft

Hier können wir bereits einen Mythos klären: Sex bzw. genitale Vereinigung alleine löst noch keine geburtswirksamen Wehen aus.

Das Hormon Prostaglandin, welches im Sperma enthalten ist, kann jedoch den Muttermund lockern. Durch die Intimität, Zärtlichkeit und gegebenenfalls einen Orgasmus beim Geschlechtsverkehr, wird Oxytocin ausgeschüttet, was Kontraktionen der Gebärmutter zur Folge hat – und jetzt kommts: Je nach Stadium der Schwangerschaft können diese förderlich sein für die Wehen. Also nochmals: Habt ihr Lust auf Sex, seid verunsichert und wisst nicht weiter? Sprecht darüber – in der Partnerschaft und mit unterstützenden Fachpersonen. Ihr seid nicht alleine mit euren Fragen und Fragen sind niemals blöd!

Nun müssen wir noch einen weiteren Mythos klären der schon mal ganz viel Druck nehmen kann und hoffentlich einen kleinen «Aha-Effekt» auslösen wird:

Sex ist viel mehr als Genitalien, die sich berühren, aufnehmend oder eindringend sind. Ja!

Das ist eine Variante von ganz vielen. Unter Sex lassen sich auch lustvolle und erotische Gespräche einordnen, das punktuelle Teilen von erregenden Fantasien, mit verschiedenen Berührungsqualitäten den Körper erkunden, sich mit dem Mund, den Fingern, angenehmen Hilfsmitteln verwöhnen lassen und dabei in der führenden oder empfangenden Rolle sein, an der Haut des Gegenübers schnuppern, gemeinsam ein leckeres Eis geniessen, einen verführerischen Brief schreiben etc. Einige geniessen intensives Küssen und Streicheln, andere eine Ganzkörpermassage – ihr dürft kreativ sein. Und falls du unsicher bist, was sich gut anfühlen könnte: Ertaste dich zuerst selbst und finde in der Solosexualität heraus, wie weit es sich gut anfühlt. Auch Beckenbodentraining kann deine Sexualität positiv beeinflussen. Gerade die Schwangerschaft ist ein guter Zeitpunkt, um Zugang zu deinem Beckenboden zu finden. In unserem Programm Fit durch die Schwangerschaft gibt es unter anderem wöchentlich einen neuen Beckenbodeninput. 

 

Mit der richtigen Kommunikation auf Entdeckungsreise

In der Sexualaufklärung sprechen wir vom Ampelsystem: Sobald der Kopf, die Gefühle und die Genitalien JA sagen, habt ihr grünes Licht für gemeinsame Entdeckungsreisen. Es wird also klar, dass ihr eine grosse Auswahl habt, wie ihr eure Sexualität in der Schwangerschaft anpassen bzw. fortführen könnt, wenn beide das wollen.

Viele Menschen bleiben bei den ähnlichen, vertrauen Vorgehensweisen in ihrem Sexualverhalten, das ist ok. Ihr MÜSST euch in diesem Umbruch nicht neu erfinden. Aber was es definitiv braucht, ist eine achtsame und kontinuierliche Kommunikation.

Über Sex sprechen?! Das ist für manch eine*n ganz schön ungewohnt (ich weiss) – wir haben es nicht gelernt, man «tut es» halt einfach. Uns fehlen teilweise schlicht und einfach die Worte oder wir sind ungeübt darin, dem Gegenüber mitzuteilen was uns gerade gefällt und was nicht, was unsere Lust steigert, was uns erregt und was uns eher langweilt, unangenehm ist oder aufgrund der gewählten Verführungsstrategie die Lust drosselt.

Oftmals steckt die Angst dahinter, das Gegenüber könnte sich zurückgewiesen fühlen, denkt es sei nicht ok, es gefalle grundsätzlich nicht. Aber: Erstens kennt jede*r seine*n Körper am besten und darf darüber bestimmen und zweitens hast du bestimmt auch nicht jeden Tag Lust auf den gleichen Film? So ist es auch in der Sexualität. Eine gewisse Routine kann schön sein (die meisten greifen in der letzten Etappe vor einem Orgasmus übrigens auf die ihnen bekannten und wirksamen Bewegungen zurück), trotzdem darf ich jederzeit mitreden worauf ICH Lust habe und was mir heute gefällt – ja auch dann, wenn mir gestern was ganz anderes gefallen hat.

rund8fit, Sexualität in der Schwangerschaft kann verunsichern aber auch stärken.

 

Sprich darüber

Ich lege euch ans Herz, über eure Bedürfnisse zu sprechen, dem Gegenüber mitzuteilen, was euch gerade Stress verursacht rund um die Schwangerschaft, euren Körper und um die Beziehung und was ihr braucht, damit ihr euch im sexuellen Kontakt gerade sicher fühlt. Teilt mit, wenn ihr Schmerzen wahrnehmt (Schmerzen sind nie ok) und auf bestimmte Dinge besonders viel Lust habt– das hilft dem Gegenüber sich ebenfalls in der neuen Situation zurecht zu finden. Sprecht über bequeme Positionen während dem Geschlechtsverkehr. Mit dem schweren Bauch ist sie Seitenlage meist angenehmer, nehmt ein Kissen zur Hand und versucht gemeinsam wie es sich anfühlt, wenn ihr diesen Support habt, legt Pausen ein, wenn es nicht mehr passt.

Lacht! Das lockert, schüttelt euch durch und bringt Entspannung. Sex darf auch komisch und unperfekt sein. Ihr schreibt euer ganz eigenes Drehbuch, wie ihr Sex haben wollt während der Schwangerschaft. Es ist ok, wenn sich die Sexualität verändert, denn wie ich anfangs gesagt habe – sie tut es ein Leben lang. Und das ist doch irgendwie schon wieder cool, denn du kannst immer neugierig bleiben, Einfluss nehmen und etwas Neues erfahren, wenn du willst.

 

Dieser Artikel hat Tina von LittleFellow für uns verfasst. Tina ist Sozialpädagogin, dipl. Sexualpädagogin und ausgebildete Trageberaterin. Auf ihrem Blog findest du viele spannende Themen rund ums Tragen und die Sexualpädagogik.

Hier geht es weiter zum Blogartikel Sex nach der Geburt.

Über die Autorin Tina Reigel

Ich bin kreativ, interessiere mich für Menschen, das Zusammenleben, die vielen Entwicklungsbereiche und war lange Zeit leidenschaftliche Tänzerin. Dies führte mich zu meinen bisherigen Berufs- und Ausbildungswegen.
Ich bin Sozial- und Sexualpädagogin und Trageberaterin.

Für rund∞fit schreibe ich die Blogartikel rund ums Tragen von Kindern.
Als zweifache Mutter habe ich selbst Alltagserfahrung mit diversen Tragevarianten und viele fachliche sowie alltagserprobte Tipps für dich bereit.

Auch zum Thema Sexualität wirst du hier bald Artikel von mir finden. Denn diese verändert sich ein ganzes Leben lang und durch die Schwangerschaft und Geburt sowieso.

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