Wissen rund ums stillen

Rund 95% aller Frauen möchten ihr Kind nach der Geburt stillen. Gehörst auch du dazu?

Mir ist es dabei wichtig, dass du weisst, dass es dein persönlicher Entscheid ist, ob du dein Kind stillen möchtest oder lieber mit der Flasche ernähren willst. Beides sind gleichwertige Ernährungsweisen für dein Kind. Die WHO empfiehlt zwar ein ausschliessliches Stillen bis zum 6. Lebensmonat, dies ist aber nicht immer möglich.

Kindliche Faktoren, soziale Umstände und persönliche Bedürfnisse haben einen grossen Einfluss auf das Stillen. Wenn du dein Kind stillen möchtest, macht es Sinn, dich vor der Geburt mit dem Stillen auseinander zu setzen. Ich gebe dir im folgenden fachliche Informationen, die dir und deinem gesunden Kind den Einstieg ins Stillen erleichtern können.

 

Das Baby lernt bereits zu Beginn, sich die Nahrung selber zu beschaffen

Kommt dein Kind auf die Welt, zeigt es oft in den ersten zwei Stunden nach der Geburt ein grosses Interesse an deiner Brust.

Nimm dein Kind zu dir, nackt Haut auf Haut, so dass die Brustwarze auf Nasenhöhe des Kindes liegt.

Oft beginnt dein Neugeborenes von selbst mit schmatzenden Geräuschen oder aber es nuckelt an seiner Hand oder deiner Haut. Dann ist es der perfekte Moment dein Kind zum ersten Mal anzusetzen. Es erhält bei dieser ersten Mahlzeit wertvolles Kolostrum, dass wichtige Nährstoffe enthält und sein Immunsystem stärkt. Dein Neugeborenes kann danach bis zu 6 Stunden schlafen. Nach 6 Stunden ist es sinnvoll dein Neugeborenes sanft daran zu erinnern, dass es seine Nahrung nun selbst beschaffen muss. Oft reicht es, dein Neugeborenes wickeln zu lassen und es erneut wieder Haut auf Haut zu dir zu nehmen.

Du kannst nun regelmässig vor dem Stillen deine Brust massieren. In dieser Broschüre findest du eine Anleitung.

So kann die Brustmassage vor dem Stillen vorgenommen werden.

 

Gelingt es dir dabei einen Tropfen Kolostrum zu gewinnen, kann dies deinem Neugeborenen helfen, deine Brust besser zu finden.

In den ersten 24 Stunden hat dein Kind noch genug Nahrung von der Zeit bei dir im Bauch. Es wird empfohlen, dein Neugeborenes mindestens 4-mal in den ersten 24 Stunden anzusetzen. Du darfst dich dabei vom Bedürfnis deines Neugeborenen leiten lassen. Erinnere es aber auch hier nach etwa 6 Stunden daran, dass es selbst für die Nahrungsbeschaffung verantwortlich ist. Nach den ersten 24 Stunden ist es sinnvoll, dein Kind 8 bis 12 mal pro 24 Stunden zu stillen. Diese 8 bis 12 Mahlzeiten sind oft nicht regelmässig auf 2 bis 4 Stunden verteilt.

 

Stille dein Kind nach Bedarf

Stillen nach Bedarf bedeutet, dass du  auf seine Hungerzeichen achtest. Hier eine Darstellung der Hungerzeichen:

  1. Dein Kind macht Augenbewegungen unter den Lidern. Es schleckt die Lippen, schmatzt und saugt.
  2. Es macht aktive Suchbewegungen und bewegt sein Kopf hin und her. Es führt seine Fäuste zum Mund, saugt allenfalls daran. Es wimmert und quietscht.
  3. Dein Kind beginnt zu schreien.

Wie dein Kind seinen Hunger zeigt, ist auch abhängig von seiner Persönlichkeit. Es gibt gelassenere Neugeborene, die frühe Hungerzeichen zeigen mit schmatzen und saugen. Es gibt aber auch Kinder, die direkt aus dem Schlaf aufschrecken und zu weinen beginnen. Du wirst dein Kind mehr und mehr kennenlernen und seine Bedürfnisse besser erkennen. Lass euch Zeit dabei.

Der schweizer Stillverein La Leche League hat einen tollen Stillcomic mit den wichtigsten Punkten für einen erfolgreichen Stillstart.

 

Der Milcheinschuss

2 bis 3 Tage nach der Geburt, manchmal auch etwas später, kommt es zu initialen Milchdrüsenschwellung. Dabei wirst du spüren, wie der Umfang deiner Brüste stark zunimmt. Deine Brüste fühlen sich nun sehr schwer, voll und gespannt an. Nach gut 24 Stunden verbessert sich dieser oft unangenehme Zustand wieder. Folgendes kann die Symptome bei der Initialen Milchdrüsenschwellung lindern:

∞ Vor dem Stillen

  • Warme Lappen auf die Brüste legen, dabei die Brustwarze auslassen
  • Unter der Dusche wenig Muttermilch ausstreichen, nur gerade so, dass du eine Erleichterung verspürst

∞ Nach dem Stillen

  • Kühlen mit Coldpacks, Quark- oder Kohlwickeln

In den folgenden Wochen und Monaten darfst du weiterhin nach Bedarf stillen. Die Milchmenge wird durch die Nachfrage gesteuert. Das bedeutet, je öfter du dein Kind anlegst desto mehr Milch wird gebildet. Dies wirst du auch immer wieder bei einem Wachstumsschub merken. Es wird Tage geben, da wird dein Kind öfters nach der Brust verlangen. Vertraue deinem Kind und deinem Körper. Den dein Kind vergrössert dadurch die Milchmenge.

 

Für Nachschub wird gesorgt

Stillen

Eine Stillmahlzeit dauert je nach Kind unterschiedlich. Hast du ein sehr effizientes Kind, trinkt dies deine Brust in 10 bis 20 Minuten. Andere Kinder benötigen mehr Zeit und machen mehr Pausen. Deine Brust sollte sich nach der Mahlzeit leichter anfühlen. Pro Stillmahlzeit sollte dein Kind eine Brust ‘leertrinken’. Deine Brust wird dabei nie leer sein. Bereits während der Stillmahlzeit wird neue Milch produziert. Biete deinem Kind die zweite Brust an wenn es nach der ersten noch unruhig wirkt. Tipps bei Kindern die rasch an der Brust einschlafen findest du weiter unten bei den Stillproblemen.

Wichtig während deiner Stillzeit ist, dass du genügend Energie und Flüssigkeit zu dir nimmst. Ich kann dir dabei Stillkugeln (wahre Energiebomben!) und Stilltee empfehlen. Du kannst aber auch Wasser oder anderen Tee – ausser Salbei und Pfefferminze – trinken. In unserem Blog findest du noch weitere Tipps für die Ernährung in der Stillzeit.

Stillkugeln

 

Was tun bei Stillschwierigkeiten?

Wenn du eine Mama und ihr stillendes Kind siehst, sieht das oft sehr vertraut und innig aus. Zu Beginn kann das Stillen aber nicht immer einfach sein. Ich habe meine drei Kinder gestillt und bei den ersten Beiden war ich mit ganz unterschiedlichen Stillproblemen konfrontiert. Mir ist es wichtig, dass du dir bewusst bist, dass Stillen gelernt werden muss und kann. Dein Kind hat zwar einen angeborenen Saugreflex, das Stillen an der Brust ist jedoch nicht immer einfach für dein Kind. Auch anatomische Gegebenheit können einen Einfluss auf den Stillerfolg haben. In meiner Arbeit auf dem Wochenbett bin ich am häufigsten mit den folgenden Stillproblemen konfrontiert worden:

∞  wunde Brustwarzen

Wunde Brustwarzen entstehen aufgrund einer falschen Ansetztechnik. Das Kind hat dabei zu wenig Brustgewebe im Mund und nuckelt auf an der Brustwarze. Dies führt zu sehr empfindlichen und teilweise auch wunden Brustwarzen. Lass dich hierbei von einer Stillberatung während der Stillmahlzeit begleiten. Sie kann dir helfen, dein Kind optimal anzusetzen. Ein leichter Ansetzschmerz kann vorhanden sein, die Stillmahlzeit selbst sollst du aber schmerzfrei geniessen können. Bei wunden Brustwarzen kann es aber sinnvoll sein, eine Stillpause zu machen und stattdessen abzupumpen.

Ebenfalls kann durch eine Hebamme eine schmerz- und nebenwirkungsfreie Low-Level-Lasertherapie durchgeführt werden. Die Therapie wirkt durchblutungsfördernd, entzündungshemmend, schmerzlindernd, beschleunigt die Wundheilung, vermindert Schwellungen und senkt das Infektionsrisiko. Das Stillen ist kurz vorher und unmittelbar nach der Lichttherapie möglich.

Die erforderliche Unterstützung erhältst du im Wochenbett im Spital, von deiner ambulanten Hebamme oder aber auch in einer ambulanten Stillberatung die mittlerweile in allen grösseren Spitälern der Schweiz angeboten werden.

 

∞ schläfriges Kind

Schlafende Kinder zu wecken ist etwas, dass man im Normalfall vermeiden will. Ist ein Neugeborenes aber schläfrig und zeigt von sich aus auch nach 4 bis 6 Stunden keine Hungerzeichen, ist es sinnvoll dein Kind ans Essen zu erinnern. Wickle dein Kind, stille es dann nur mit einer Windel bedeckt. Stimuliere dein Kind, in dem du es am Rücken oder an den Füssen kitzelst.

 

∞  starke initiale Milchdrüsenschwellung

Wende die oben genannten Tipps an. Oft erschwert eine starke initiale Milchdrüsenschwellung das Ansetzen. Wärme hier im Voraus deine Brust, wende die Brustmassage an und streiche vor dem Ansetzen wenig Muttermilch aus. Hier findest du ein Video, dass die Brustmassage und das Ausstreichen von Muttermilch nachvollziehbar darstellt.

 

∞ zu wenig Muttermilch

Dein Körper produziert so viel Muttermilch wie nachgefragt wird. Konkret bedeutet das; je öfters dein Kind effizient trinkt, desto mehr Milch wird produziert. Zeigt sich das deine Milchmenge zu gering ist, dein Kind allenfalls zu wenig zunimmt, kannst du deine Milchmenge steigern indem du häufiger ansetzt. Manchmal mag dein Kind aber (noch) nicht trinken. Hier kann es helfen, dass du nach der Stillmahlzeit noch zusätzlich abpumpst. Lass dich dabei von deiner ambulanten Hebamme oder einer Stillberaterin beraten. Achte aber auch darauf, dass du genügend trinkst.

 

Milchstau

Ein Milchstau zeigt sich zu Beginn oft mit einer Verhärtung in einer Brust. Die Stelle ist schmerzempfindlich, gerötet und warm. Bei einem Milchstau ist es wichtig, dass genau diese Stelle gut entleert wird. Am besten gehst du dann wie folgt vor:

  1. Wärme die Stelle vor, massiere die Brust, setze dein Kind so an, dass sein Kinn an der verhärteten Stelle liegt.
  2. Nach Absprache mit deiner ambulanten Hebamme oder einem Arzt kannst du auch ein entzündungshemmendes Schmerzmittel einnehmen.

Ein Milchstau kann sich rasch zu einer Mastitis entwickeln, wobei du Fieber entwickeln kannst. In diesem Moment musst du umgehend deine ambulante Hebamme oder eine Stillberaterin kontaktieren. Komplexere Stillschwierigkeiten zeigen sich natürlich bei kranken und oder frühgeborenen Kinder. Hier erhältst du umfassende Unterstützung im Spital oder bei einer Stillberatung.

 

Stillen und Haltung

Bei der Haltung während dem Stillen ist besonders zu achten, dass nicht du dich zum Kind beugst sondern dein Kind immer auf Höhe deiner Brust liegt. Du kannst dein Baby mit einem (Still-)Kissen unterlegen oder deine Beine erhöhen und darauf abstützen.

Achte darauf, dass du dich wohlfühlst und du eine angenehme, bequeme Haltung einnimmst. Eine Stillmahlzeit kann auch mal 30 Minuten oder länger dauern. Am Besten legst du dir alles notwendige in Reichweite hin, so dass du während dem Stillen keine grosse Bewegungen machen musst. Geniesse die gemeinsame Pause für einen kleinen Snack und etwas zu Trinken.

Stillen und Haltung

Hier findest du ein paar Übungen für eine starke Haltung (Hinweis für Schwangere und Frauen in der Rückbildungszeit: Wähle bei der Übung 3 den Vierfüssler statt die ganze Plank):

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Youtube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Mehr Informationen und Tipps zu Stillen und Sport findest du hier.

 

Stillen oder nicht?

Wie bereits zu Beginn geschrieben: ob du dein Kind stillen möchtest oder nicht ist deine Entscheidung. Oft kann der Stillstart etwas holprig sein, es lohnt sich aber durchaus ins Stillen zu investieren.

Muttermilch biete deinem Kind die optimale Nahrungszusammensetzung. Du hast die Milch immer dabei, mit der richtigen Menge und der richtigen Temperatur. Angebot und Nachfrage stellen sich automatisch ein, wenn du dein Kind nach Bedarf stillst. Dafür bist du beim Stillen mehr gebunden. Bei Kindern, die die Flasche erhalten, kann dein Partner das Füttern direkt ab Geburt übernehmen. Dir als Mutter bleiben mehr Freiheiten.

Beides hat also Vor- und Nachteile –

stimmen muss es für dich und dein Kind!

 

An wen kannst du dich bei Stillfragen/-problemen wenden?

∞ Deine ambulante Hebamme kann dich kompetent bei Stillfragen/ -problemen beraten

∞ In allen grösseren Spitälern in der Schweiz wird mittlerweile eine Stillberatung angeboten. Dort kannst du dich ambulant beraten lassen. Wusstest du, dass jede Krankenkasse in der Schweiz zwei ambulante Stillberatungen bezahlt? Nutze dieses Angebot!

Mütter- und Väterberatungen sind ebenfalls Anlaufstellen, um Fragen zur späteren Beikosteinführung zu klären.

∞ Informationen/Austauschmöglichkeiten online findest du unter www.lalecheleague.ch / www.lalecheliga.de

Stillen kann eine intensive Bindung zwischen Mutter und Kind aufbauen.

Dieser Artikel ist von Sophie Wanner. Sophie ist Hebamme, Aromatherapeutin und ist eine unsere rund∞fit-Expertinnen.

 

Quellen

Bick, D., MacArthur C., Knowles H. & Winter, H. 2004: Evidenzbasierte Wochenbettbetreuung und -pflege: Praxishandbuch für Hebammen und Pflegende. Verlag Hans Huber.

Geist, C., Harder U. & Stiefel, A. 2007. Hebammenkunde. Lehrbuch für SChwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Beruf. Hippokrates,4. Auflage.

www.lalecheleague.ch / www.lalecheliga.de

https://www.swissinfo.ch/ger/weltstillwoche_schweizer-frauen-unter-still–und-abstilldruck/45205920

https://www.still-lexikon.de/sport-waehrend-der-stillzeit/

https://www.swissmom.ch/baby/stillen/allgemeines/sport-in-der-stillzeit/

https://www.stillfoerderung.ch/logicio/pmws/stillen__stillbroschuere__de.html

Über die Autorin Sophie Wanner

Deine E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Die Pflichtfelder sind mit einem * markiert.

{"email":"Email address invalid","url":"Website address invalid","required":"Required field missing"}