Liegen in der Schwangerschaft

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Liegen in der Schwangerschaft ist für viele schwangere Frauen eine furchtbare Vorstellung. Fast 20% aller Schwangeren erhalten in der Schwangerschaft den Rat, sich körperlich zu schonen. Gerade für Frauen, die sehr gerne aktiv sind und Sport als wichtigen Ausgleich zum Alltag brauchen, ist dies oft eine Hiobsbotschaft. Plötzlich steht der Alltag Kopf. Alltägliches, wie zum Bespiel sich um ein älteres Kind zu kümmern oder arbeiten zu gehen, ist nicht mehr möglich. Plötzlich dürfen keine Einkäufe mehr gemacht werden und keine Wäschekörbe mehr geschleppt werden. Putzen geht auch nicht mehr. Manchmal reicht Schonung zu Hause allein nicht aus und es kommt sogar zu einem längeren Spitalaufenthalt auf der Pränatalstation.

 

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Gründe für die Bettruhe

Hauptgründe für die Bettruhe in der Schwangerschaft sind eine drohende Fehlgeburt oder eine drohende Frühgeburt. Bei einer drohenden Fehlgeburt handelt es sich um die Gefahr einer Geburt vor der 24+0 Schwangerschaftswoche. Eine drohende Frühgeburt ist die Gefahr einer Geburt zwischen der 24+0 Schwangerschaftswoche und der 37+0 Schwangerschaftswoche.

Symptome einer drohenden Fehlgeburt oder Frühgeburt sind vaginale Blutungen, vorzeitige Wehen oder der Verlust von Fruchtwasser.

Warum es zu einer Fehlgeburt oder einer Frühgeburt kommt, ist meistens unklar. Es gibt jedoch Faktoren, die das Risiko für eine Fehlgeburt oder Frühgeburt erhöhen.

 

Risikofaktoren Fehlgeburt:

  • Früherer Fehlgeburten und/ oder traumatische Erfahrungen während früheren Geburten oder Schwangerschaften
  • Massiver Konsum von Alkohol, Nikotin, Koffein oder Drogen
  • Gutartige Verwachsungen in der Gebärmutter (Myome)
  • Infektionen (z.B. Röteln) oder Chlamydien-Befall
  • Mütterliche Erkrankungen wie Diabetes, Erkrankungen der Nieren und der Schilddrüse, Autoimmunerkrankungen, Probleme bei der Blutgerinnung u.a.
  • Starkes Ungleichgewicht im Hormonhaushalt
  • Stress oder plötzliche Schockzustände, bei Todesfall in der Familie oder Trennung vom Partner

 

Risikofaktoren Frühgeburt:

  • Alter der Schwangeren unter 18 Jahren oder über 35 Jahren
  • Massiver Nährstoffmangel, respektive Unterversorgung von Mutter und Kind
  • Vorangegangene Fehl- oder Frühgeburtenerkrankung an Diabetes, Schwangerschaftsvergiftung, Stoffwechselstörungen
  • Massiver Nikotinkonsum in der Schwangerschaft
  • Mehrlingsschwangerschaften
  • Myome

 

Kontrovers diskutiert ist der Einfluss von übermässiger, körperlicher Belastung in der Schwangerschaft. Noch heute besteht oft die Meinung, dass bei sportlicher Aktivität in der Schwangerschaft Vorsicht geboten ist. Neueste Untersuchungen zeigen aber, dass sportliche Aktivität in der Schwangerschaft das Risiko von hypertensiven Erkrankungen (Bluthochdruck, Schwangerschaftsvergiftungen) senkt und sich positiv auf Schwangerschaften mit Gestationsdiabetes auswirkt. Auch bei Risikoschwangerschaften hat Sport positive Auswirkungen. Einzig von Extremsportarten wird abgeraten.

 

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Bettruhe – Was bedeutet das eigentlich genau?

Oft wird in der Frühschwangerschaft bis zur 24 + 0 Schwangerschaftswochen Schonung zu Hause empfohlen. Erst wenn das ungeborene Kind lebensfähig ist (in den meisten Spitälern in der Schweiz ist die mit 24+0 Schwangerschaftswochen der Fall) werden die schwangeren Frauen auf der Pränatalstation behandelt und überwacht. Bei Schonung zu Hause wird in folgende Arten von Aktivitätsrestriktionen unterteilt:

Leicht
1 Stunde oder weniger kontinuierliche Ruhe im Bett oder in sitzender Position während des Tages, kein Heben von Gewicht von mehr als 4,5 kg.

Moderat
Mehr als 1 Stunde, aber weniger als 8 Stunden kontinuierliche Ruhe während des Tages, keine Haushaltsaufgaben und kein Heben von Gewichten. Besuche beim Arzt sind erlaubt.

Streng
Aufenthalt im Haus ausser zu Arztbesuchen. Kontinuierliche Ruhe im Sitzen oder im Liegen während des Tages. Keine Haushaltsaufgaben und kein Heben von Gewichten.

 

Im Spital spricht man oft von relativer Bettruhe, dabei darf die Patientin auf die Toiletten und zum Duschen, ansonsten sollte der Tag aber liegend verbracht werden. Bei absoluter Bettruhe ist auch der Gang auf die Toilette nicht mehr erlaubt. Körperpflege findet liegend im Bett statt.

 

Bettruhe wird heute kontrovers diskutiert

Bereits 2015 haben verschiedene Cochrane-Analysen den Nutzen von Bettruhe in Bezug auf die häufigsten Schwangerschaftskomplikationen untersucht. Dabei zeigte sich, dass nach aktuellen Erkenntnissen, Bettruhe die meisten Schwangerschaftskomplikationen nicht zu reduzieren scheint. Es entstehen dabei sogar beträchtliche Risiken. Das Risiko eine venöse Thrombose zu bekommen ist 19-fach erhöht. Es kommt zu rascher Skelettdemineralisation und zu Knochenabbau. Auch die psychologischen, familiären und sozialen Folgen sind nicht zu unterschätzen.

Zu einem gleichen Resultat ist Ralf L. Schild gekommen, der 2017 die Auswirkung von Bettruhe bei drohender Frühgeburt untersucht hat. Auch er beschreibt die körperlichen und psychologischen Auswirkungen von Bettruhe in der Schwangerschaft und benennt nebst dem erhöhten Risiko für Thrombosen und Verlust an Knochen- und Muskelmasse weitere körperliche und psychologische Auswirkungen, wie beispielsweise ein kleineres Lungenvolumen, Verstopfungen, Schwindel, Schlaflosigkeit, Langeweile, Stress in der Familie, Depressionen und Einkommensverluste.

Die aktuellen Studienlage empfiehlt, dass Bettruhe heute als Therapie nur noch selten angewendet werden und dabei die erheblichen Risiken berücksichtigt werden sollten. In der Praxis sieht dies jedoch oft anders aus. Was kannst du also machen, wenn dir Schonung oder Bettruhe im Spital verordnet wurde?

 

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Bei Schonung zu Hause

Bei Schonung zu Hause wird oft von sportlicher Aktivität, Gartenarbeit und Renovierungsarbeiten abgeraten. Auch sollten keine schweren Gewichte gehoben werden. Auf Bewegung muss aber nicht verzichtet werden. Oft sind leichte Spaziergänge möglich. Im Haushalt sollte man sich unbedingt Hilfe organisieren. Das bedeutet konkret:

  • Eltern, Freunde und Bekannte für Hilfe anfragen
  • Haushaltshilfe durchs Spitex organisieren
  • Wenn nötig den Haushalt aufs absolut Wesentliche reduzieren
  • Lieferdienste (Essen und Einkäufe) in Anspruch nehmen

 

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Bei Bettruhe im Spital

Oft werden in den ersten Tagen im Spital eine absolute Bettruhe empfohlen, die dann, wenn sich die Situation stabilisiert hat, in eine relative Bettruhe umgewandelt wird. Unter Umständen bleibt diese aber über Wochen bestehen. Dies führt zu einem raschen Abbau der Muskeln und die Frauen haben danach oft Mühe mit Stehen und Gehen. Was dagegen hilft, sind sogenannte isometrische Übungen. Bei isometrischen Übungen werden keine eigentlichen Bewegungen gemacht, sondern die einzelnen Muskeln werden gezielt für zirka 5 Sekunden angespannt, gehalten und wieder entspannt. Dabei wird empfohlen den Körper einmal am Tag von oben nach unten ‘durch zu Bewegen’. Jeder Muskel sollte dabei 15-mal angespannt werden.

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Isometrisches Training

Gesichtsmuskeltraining: Grimassen schneiden

Hand und Armmuskulatur trainieren: Fäuste ballen und Finger wieder ausstrecken

Brustmuskulatur trainieren: Flache Hände vor der Brust zusammenpressen

 

Kreislauf aktivieren

Es lohnt sich auch den Kreislauf in Schwung zu bringen. Dabei kannst du mit den Füssen wippen und kreisen. Du kannst auch Armkreise machen. Strecke dazu die Arme Richtung Decke und strecke sie dann nach hinten aus. Ziehe sie wieder nach oben zur Decke. Diese Bewegung kannst du variieren und auch mal die Arme im Wechsel nach hinten und wieder nach oben ziehen.

 

Atmung intensivieren

Mittels Atemübung kannst du Rückenschmerzen entgegenwirken, dich entspannen und Kontakt zu deinem ungeborenen Kind aufnehmen. Du liegst dabei auf dem Rücken.

Lege die Hände auf den Bauch. Atme 5- bis 7-mal bewusst in deinen Bauch, zu deinem Kind.

Lege dann die Hände auf deinen unteren Rippen und beginne mit der Flankenatmung. Atme durch die Nase ein und spüre, wie sich dein Brustkorb weitet. Atme durch die Nase aus. Stell dir dabei eine dreidimensionale Atmung vor, dass du auch nach hinten in deinen Rücken atmest.

 

Wichtig ist uns, dass du diese Übungen nur dann machst, wenn du dich danach fühlst und erst nach Rücksprache mit deinem behandelnden Arzt oder deiner Hebamme machst. Sei dir zudem bewusst, dass die Zeit, in der du in deiner Schwangerschaft liegen musst, endlich ist. Danach hast du mit grosser Wahrscheinlichkeit ein neues kleines Lebewesen mit dir, dass den kurzfristigen Verzicht auf Sport in jedem Fall entschädigt.

 

 

Dieser Artikel ist von Sophie Wanner. Sophie ist Hebamme und Aromatherapeutin. Für rund∞fit schreibt sie Artikel aus ihrem Fachbereich.

 

Quellen:

https://www.familie.de/schwangerschaft/wann-man-in-der-schwangerschaft-liegen-muss/

https://www.apotheken-umschau.de/familie/schwangerschaft/beschwerden/hilfe-wenn-schwangere-liegen-muessen-790671.html

https://praxistipps.focus.de/schwangerschaft-mit-bettruhe-alle-infos-im-ueberblick_127716

https://www.t-online.de/gesundheit/schwangerschaft/id_66252408/schwangerschaftskomplikationen-bettruhe-in-der-schwangerschaft.html

https://www.rosenfluh.ch/media/gynaekologie/2015/03/Sport-in-der-Schwangerschaft.pdf

https://www.schwanger.at/artikel/fruehgeburt-und-fehlgeburt.html

https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/html/10.1055/s-0043-108641#Drohende%20Frühgeburt

https://babyou.org/bettruhe-in-der-schwangerschaft/

 

Über die Autorin Sophie Wanner

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